Ich hätte nie gedacht, dass mir der Anblick eines VW Golf einmal vorkommen würde wie der Blick auf eine Modelleisenbahnszenerie. In den USA ist alles ein bischen größer – die Entfernungen, die Portionen, die Getränkebecher und eben auch die Autos. Dem durchschnittlichen Amerikaner scheint ein riesiges Auto aber bei weitem noch nicht zu genügen – es wird gepimpt und gepimpt, was das Zeug hält. Während deutsche Tuningfreaks versuchen ihre VWs, BMWs und Opels so tief wie möglich auf die Strasse zu bekommen geht der Trend in den USA genau in die umgekehrte Richtung: Je höher der Pickup umso besser, so jedenfalls unser Eindruck. Die Tatsache, dass es in den Vereinigten Staaten keinen TÜV gibt, befördert den geneigten Truck-Besitzer in die Gelegenheit, jeden erdenklichen Wahnsinn mit seinem Gefährt anzustellen und es so in ein echtes Auto-Monster zu verwandeln – so hat bespielsweise Richards Truck angeschweisste, scharfkantige Stahlaufbauten, bei denen jeder TÜV- oder Dekra-Prüfer die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sofort die Plakette vom Kennzeichen kratzen würde. Doch Umbauten sind nicht die einzigen Hingucker auf amerikanischen Strassen, auch Oldtimer und sogar selbstgebaute Autos gehören zum ganz alltäglichen Strassenbild. Nein, die Umwelt- und Spritverbrauchdebatte wollen wir an dieser Stelle nicht anheizen – im Land der grenzenlosen Freiheiten würde das ganz sicher keinen Sinn machen sondern eher zu wilden Schießereien führen. Wir haben schon ein paar Bilder von wirklich kuriosen Monster-Autos gemacht und ein paar wollten wir an dieser Stelle einfach mal präsentieren (diese Bilder stammen alle aus dem normalen Strassenverkehr und nicht von einer Autoshow!)
Mag sein, dass die Deutschen gut darin sind, schnell mit dem Auto zu fahren – die besseren Autofahrer sind unserer Meinung nach die Amerikaner. Tempolimits werden generell beachtet, es wird Abstand gehalten, es gibt keine waghalsigen Überholmanöver, es geht auf amerikanischen Strassen total entspannt zu. Ich habe bereits erwähnt, dass man an roten Ampeln in der Regel jederzeit rechts abbiegen darf – aber nicht, dass man das auch tun sollte, denn sonst wird der Hintermann ungehalten. Eine weitere Besonderheit sind die 4-way-stops, eine Kreuzung mit Stopschildern aus allen Richtungen: Die Regel ist ganz einfach, wer zuerst steht darf auch als erster wieder fahren. Nach kurzer Eingewöhnungsphase finde ich diese Errungenschaft sehr gelungen, zumal sie bei vielfrequentierten 4-way-stops auch das Gehirn trainiert – man muss sich bei 6-9 Spuren merken, wer zuerst gestanden hat und wer nach einem sein Fahrzeug zum Halten gebracht hat. Generell gibt es extrem viele Stopschilder in den USA, was sicher auch zum enormen Benzinverbrauch der ohnehin viel zu grossen Autos beiträgt – an jeder zweiten Ecke muss man das Fahrzeug zum Stehen bringen und dann wieder beschleunigen – kein Wunder also, dass der normale innerstädtische Spritverbrauch eines durchschnittlichen amerikanischen Autos schnell mal auf 24 Liter hochschnellt. Dafür spart man auf den Freeways ein bischen Treibstoff, einfach den Tempomat auf das generelle Tempolimit von 75 Meilen (120 Kilometer pro Stunde) eingestellt und die Kiste rollen lassen – man darf dabei sowohl links als auch rechts überholen, das schont die Bremsen und die Nerven. Auffallend ist, dass mobilisierte amerikanische Verkehrsteilnehmer höchsten Respekt vor Fußgängern haben und extreme Rücksicht nehmen, wenn man Einfahrten oder Kreuzungen zu Fuß quert – verlassen sollte man sich darauf allerdings besser nicht…
Nach sechstägiger Eingewöhnungszeit sollte es heute soweit sein: Wir haben uns Richards Truck für eine kleine Spazierfahrt ausgeliehen, taking our first ride in the Tempe hood. Es ist ja nicht so, dass wir nicht autofahren könnten, aber erstens ist unser “Auto” groß und durch seine Aufbauten extrem unübersichtlich und zum anderen muss man sich in den Vereinigten Staaten doch an einige Dinge im Straßenverkehr gewöhnen – so darf man beispielsweise zu jeder Zeit an einer roten Ampel rechts abbiegen, es sei denn es ist durch Schilder verboten. Hinzu kommt, dass selbst kleinere Nebenstraßen vierspurig ausgelegt sind und in der Mitte noch eine Extraspur für Linksabbieger bereit gehalten wird, dazu darf man in den USA sowohl rechts als auch links überholen, was einem europäischen Fahrer zusätzlich eine Menge Aufmerksamkeit abfordert – schliesslich rauschen ja auch noch mannigfaltige Eindrücke einer fremden Stadt an einem vorbei. Dafür sind die Strassen in einem Raster angelegt, dass einem nach Norden ausgerichteten Koordinatensystem entspricht – unser Truck hat im Rückspiegel eine Art Kompass, der einem permanent die Richtung anzeigt, in die man gerade fährt, was das Navigieren doch etwas einfacher macht. Wir waren wirklich aufgeregt, als wir in den Wagen kletterten um loszufahren, doch diese Nervosität ist dann ziemlich schnell in ein entspanntes Gefühl der Coolness umgeschlagen. In den Staaten sind im Straßenverkehr überhaupt alle ziemlich cool – es wird weder gerast, noch gehupt, man kann wirklich sagen, dass das Autofahren hier eine ziemlich entspannte Angelegenheit ist. Endlich mal ein Punkt, an dem die Amerikaner den Deutschen wirklich etwas voraus haben.
Was uns in diesem Zusammenhang auch aufgefallen ist: Obwohl in unmittelbarer Nähe unseres Hotels zwei Freeway verlaufen, die Strasse vor dem Hotel insgesamt sieben Spuren hat und die Amerikaner keine Autos fahren, die weniger als drei Liter Hubraum haben ist der Strassenverkehr kaum wahrzunehmen – es gibt keine röhrenden Auspuffanlagen und scheinbar scheint auch der Asphalt geräuscharm beschaffen zu sein, anders kann ich mir nicht erklären, dass ich noch niemals so viel Verkehr so leise erlebt habe.