22. November 2009
Durch unsere Reifenpanne liegen wir hinter unserem Zeitplan weit zurück, als wir gegen 20:30 die Staatsgrenze zu Nevada passieren – draussen in der Wüste ist es stockfinster und die Meilentafel am Strassenrand verkündet, dass Las Vegas noch 100 Meilen (~160 Kilometer) weit entfernt ist. Trotzdem kann man den Himmel in südwestlicher Richtung hell erleuchtet sehen und Las Vegas somit eindeutig ausmachen. Von Mesquite auf der Interstate 15 in südlicher Richtung fahrend erwartet man hinter jedem der Hügel, deren Umrisse sich vor dem hellen Himmel eindeutig abzeichnen, nun endlich einen Blick auf das Spielerparadies zu erhaschen – dieses Spiel geht eine Stunde lang so, was dazu führt, dass die Spannung ins Unermeßliche steigt. Aber erst 15 Meilen vor der Stadt, kurz nachdem man das Wüstenörtchen Apex passiert hat, ist es soweit – hinter einem der vielen Hügeln führt die I-15 talwärts und offenbart den Anblick einer Schatzkiste: Es breitet sich ein Lichtermeer aus, dass ein ganzes riesiges Tal ausfüllt, es glitzert in goldenen Lichtern soweit das Auge blicken kann – dieser Eindruck wird durch die stundenlange Fahrt durch die stockfinstere Wüste natürlich noch verstärkt. Downtown Las Vegas mit dem “Strip”, dem Boulevard, lässt sich anhand der grossen Hotels eindeutig ausmachen – irgendwo drin liegt unser Hotel. Die Interstate führt mitten durch die Stadt und man kann quasi direkt auf dem Strip abfahren – meine Augen flimmern nur noch:
So muss sich wohl ein LSD-Trip anfühlen. Richard kutschiert uns über den Las Vegas Boulevard und hält Ausschau nach unserem Hotel während Tina und ich nur noch staunend abwechselnd links und rechts aus dem Fenster starren. Was für eine Fahrt, mal wieder – nach 840 Meilen, schneebedeckten 4000ern in den Rockys, endlosen Wüsten und Steinformationen in Utah, nach den einsamen felsigen Canyons, nach vierstündiger Fahrt durch die Dunkelheit der Wüstennacht sind wir nun mitten in einer Glamourwelt, wie sie krasser wohl kaum sein könnte. Ich will nur noch ins Bett, eigentlich ist das alles zuviel – doch wir müssen noch in unser “Casino” bzw. Hotel einchecken und essen wollen wir auch noch – was für ein Mega-Flash! PS: Wir tauchen jetzt erstmal eine Weile ab und berichten ausführlich, wenn wir die Stadt wieder verlassen – now is Vegas, Baby!
Wer sich im mittleren und südlichen Westen der USA bewegt, trifft immer wieder auf den Colorado River und je öfter wir ihm an verschiedenen Orten begegnen, desto beeindruckender wirkt dieser Fluss auf uns. Er hat die gesamte Landschaft an seinem Lauf imposant geformt und geprägt, hat tiefe Furchen und zerklüftete Canyons in das Land geschnitten – eine dieser unglaublichen Stellen findet man direkt auf der Interstate 70, nämlich wenn man sich der Stadt Glenwood und damit dem Glenwood Canyon nähert – der Freeway verläuft mitten im Canyon und bietet damit die Gelegenheit, knapp über dem Wasser des Colorado durch die Felsen zu gleiten. Ab diesem Punkt, durch das gesamte Colorado Plateau bis hin zum vier-Staaten-Eck (Four Corners) ist der Colorado River nun Begleiter unseres Highways, erst nördlich der La-Salle-Mountains zwischen Colorado und Utah, schwenkt der einst so mächtige und heute durch Staudämme gezähmte Strom südwärts in Richtung des Grand Canyon.
Eigentlich waren wir an diesem Sonntag Morgen schon auf dem Weg nach Las Vegas, als Richard an der Tankstelle eine dicke Bolzenschraube entdeckt die mitten im rechten Hinterrad seines Trucks steckte. Die Stimmung war im Keller, denn die Aussichten jetzt sofort Hilfe bzw. eine Reifenwerkstatt zu finden tendierten gegen Null und wir sahen unseren Las Vegas Trip schon dahinschwinden. Zum Glück hat das Tire & Lube Center des Walmart in Colorado Springs auch am Sonntag ab 07:00 Uhr geöffnet – dort hat man uns den Reifen für schlappe $10 auf der Stelle repariert (das ist Service!) während wir durch den Walmart gebummelt sind und so konnten wir dann mit zwei Stunden Verspätung doch noch gen Westen fahren
20. November 2009
Heute ist, wie die letzten Tage auch schon, herrliches Wetter in Colorado Springs. Die Nächte sind zwar eisig, aber die Tage sind so wundervoll dass sogar der Schnee schon fast komplett abgeschmolzen ist. Heute habe ich das Wetter genutzt, um mich mal ein wenig in der Neighborhood, also unserer Nachbarschaft umzusehen, die wie ganz Colorado Springs am Fuße der Frontrange der Rocky Mountains mit dem alles überragenden, 4.301 Meter hohe Pikes Pike ist. Der Ortsteil, in dem wir zu Gast sind, nennt sich Knob Hill, er liegt auf rund 1900 Metern Höhe und ist ganz sicher keiner dieser noblen Stadtteile, in denen alle Häuser und Dächer die gleiche Farbe und in denen Autos nicht auf der Strasse abgestellt werden dürfen, nein – Knob Hill ist ein Ort der Mittelschicht. Entgegen der mittlerweile üblichen Praxis, in der ganze Siedlungen von nur einem Bauherren im Einheitslook aus dem Boden gestampft um dann an Eigentümer verkauft zu werden, ist Knob Hill eine natürlich gewachsene Nachbarschaft, kein Haus gleicht dem anderen und die Strassen sind gesäumt von alten Baumbeständen. Es sind wirklich niedliche Häuser dabei – bitte seht mir nach, wenn ich keine Bilder davon gemacht habe – ich traue mich nicht wirklich einfach fremde Häuser von der Strasse aus zu fotografieren. Dabei würde sich das wirklich lohnen, den die meisten Häuser sind wirklich süß dekoriert, nicht nur mit dem Star-Spangled Banner, das ohnehin überall zu wehen scheint.
Es geht auf Weihnachten zu und viele Häuser werden schon dafür hergerichtet. Der ältere Herr auf dem Foto ist nur ein gutes Beispiel dafür, wieviel Arbeit sich die Amerikaner damit machen. Er hat mir auch verraten, dass er das Haus ab Thanksgiving (eine Art Erntedankfest) leuchten lassen wird. Ich werde es dann ganz sicher noch einmal fotografieren – im Dunkeln. Vieles kommt einem extrem klischeehaft vor wenn man durch die Strassen der Nachbarschaft läuft – doch wahrscheinlich ist es nur so, dass einem die Vereinigten Staaten aus den Medien schon so vertraut sind, aber dabei vergessen hat, dass die Bilder aus der Flimmerkiste die amerikanische Realität abbilden. Wäre es nicht so kühl in Colorado Springs und würde einem die dünne, trockene Luft nicht so zu schaffen machen – in Knob Hill könnte man es ganz sicher aushalten.
19. November 2009
Einen ganzen Monat lang gelüstete es uns nun schon nach einer simplen Thunfischpizza – die Hiobsbotschaft lautet: Es war uns bislang nicht möglich eine Pizzeria aufzutreiben in der Pizza mit Thunfisch auf dem Menü steht. Einmal haben wir danach gefragt und haben Kopfschütteln und Naserümpfen für unser ausgefallenes Topping geerntet. Heute musste aber endlich mal eine Thunfischpizza her und es blieb uns in den Vereinigten Staaten wahrhaft nichts anderes übrig, als sie selbst herzustellen, was gar nicht so einfach ist: Fertigen Pizzateig gibt es nicht zu kaufen (und wenn es so wäre, dann wäre es einer dieser dicken Böden, wie man sie vom Pizza Hut kennt), also muss das Rezept aus der Erinnerung hergekramt werden: Mehl, Hefe, Wasser, Öl und Salz. Soweit so gut, wäre da nicht die Eigenart der Amerikaner, alle Gewichte, Volumina und Maßeinheiten generell anders zu handhaben als der Rest der Welt! Wieviel Cups sind denn nun 250 Gramm und wie soll man einen Viertel-Liter abmessen? Es ist uns gelungen, einen brauchbaren Teig herzustellen und auch die restlichen Zutaten inklusive teurem Thunfisch zu beschaffen. Beim Käse muss man in Amerika leider auch Abstriche machen – der geraspelte Mozarella, für den wir uns entschieden haben, ist im Rohzustand nichts anderes als geschmacklose Gummifäden. Nun ist also unsere Pizza fertig, Richard hat zwei Mädels hier, die gerne mit uns Essen möchten – der ideale Testballon für unser Mitbringsel: Thunfischpizza meets America! Es hat vorzüglich geschmeckt, nicht nur uns (endlich!!!) sondern auch unseren Gästen. Vielleicht sollten wir hier einfach eine Pizzeria eröffnen….
17. November 2009
Nach 11 Tagen und 2.900 Meilen (4.667 Kilometer) sind wir wieder in Colorado Springs – und bereuen es schon. Hier liegt tonnenweise von dem weißen Zeug namens Schnee rum und die Temperaturen liegen nachts unter dem Gefrierpunkt. Nochmal kurz zur Erinnerung: Vor nicht mal 48 Stunden waren wir noch in den Wüsten Arizonas unterwegs – das strapaziert den Organismus mächtig, darum werden wir uns jetzt ein paar Tage bei Richard im Keller verkriechen und mal ein bischen arbeiten. Wir sind jetzt 26 Tage in den USA aber es kommt uns vor wie eine Ewigkeit – wir haben weit über 2000 Bilder geschossen, waren in vier Bundesstaaten unterwegs, haben dabei insgesamt 4.700 Meilen (7.563 Kilometer) zurückgelegt und doch eigentlich noch gar nichts von diesem riesigen Land gesehen – die Entfernungen in den USA sind immens und aus der Ferne betrachtet erscheint uns Deutschland nun winzig klein – was bitte ist eine Fahrt von Hamburg nach München im Vergleich zu einer einzigen Fahrt von Colorado Springs nach Phoenix? Wir bevorzugen dabei übrigens Phoenix und hätten nicht schlecht Lust, wieder einen Wagen zu mieten und der Kälte in Richtung Arizona zu entfliehen *gg
15. November 2009
14. November 2009
Dank dem nächlichen Hotelwechsel war es eine verdammt kurze Nacht, wir haben einen Wintereinbruch im Nacken, der Mietwagen muss Montag in Colorado Springs sein – viel Zeit für Wickenburg bleibt da leider nicht. Heute steht Autofahren auf dem Programm – um dem Schnee in den Bergen rund um Flagstaff auszuweichen haben wir uns eine Route ostwärts durch Arizona ausgesucht, auf der wir keinen Schnee zu erwarten haben und uns um 8:00 Uhr auf den Weg gemacht – nach einem einigermaßen genießbaren Kaffee von Starbucks.
Dass das Stück Highway bis Congress unser letzter Besuch in der Wüste sein sollte ahnten wir nicht. Hinter Congress schraubt sich der White Spar Highway (AZ-89 N) hoch in die Weaver Mountains – bis nach Prescott schlängelt sich die Strasse an schroffen Bergen entlang, diese Strecke ist ganz sicher ein Traum für Motorrad-Fahrer. Prescott Downtown ist voll das Klischee vom Westen – ein Cowboy-Souvenirshop reiht sich unter dem Namen Whiskey Row an den nächsten, aber zumindest sehen wir mal wieder so etwas wie eine Innenstadt. Die Zeit drängt, wir müssen weiter – weiter ostwärts.
Östlich von Prescott bekommt Arizona erneut ein ganz neues Gesicht: Der Arizona Highway 260 führt von nun ab durch Wälder – diese Wälder sind so ebenso endlos wie die endlosen Wüstenebenen, die wir bislang gesehen haben. Es gibt einige total süße Orte wie Strawberry oder Pine, aber im großen und ganzen gibt es nicht als Wald und so fahren wir vom Tonto National Forest in den Sitegrave National Forest, der wieder ein bischen höher liegt. Wir amüsieren uns noch über die fetten Wolken, die an dem waldigen Berg hängen – bis wir realisieren, dass unser Highway uns gerade genau dorthin führt. Keine 5 Minuten später ist das Thermometer um 10 Grad gefallen, draussen herrscht Nebel und wir sichten die ersten Schneeflocken – holy shit, das wollten wir eigentlich vermeiden, indem wir hier langfahren. Zum Glück hört es hinter Heber-Overgaard wieder auf zu schneien – dafür entdecken wir riesige verbrannte Wälder. Jeder von uns hat grosse amerikanische Waldbrände im Fernsehen gesehen, aber wenn man dann einmal vor den endlosen verbrannten Weiten steht, wo früher einmal Wald war, dann begreift man schnell, wie katastrophal und verheerend solche Ereignisse sind.
Wir erreichen den Highway 60, der uns nach New Mexico bringen soll – hinter Springerville, das sich als Gate to the White Mountains bezeichnet, wieder geht es hinauf bis auf 2500m – aber diesmal geht es nicht wieder gleich runter. Eine riesige, öde Hochebene tut sich vor uns auf, dann versinkt die Sonne hinter den Bergen. Wir haben noch 3 Stunden Fahrt bis nach Socorro vor uns, 3 Stunden geradeaus durch die dunkle Nacht – es gibt keine Häuser mehr da draussen, kaum Verkehr auf diesem Highway, kein Licht, einfach nichts. Während eines Pinkelstopps bleiben wir ganz ruhig stehen und lauschen angestrengt in die Dunkelheit – außer dem Rauschen des Blutes in den eigenen Ohren gibt es keine Geräusche und außer der funkelnden Milchstrasse über unseren Köpfen auch kein Licht. Gespenstische Einsamkeit. Umso erleichterter sind wir jedesmal, wenn wir einen dieser winzigen Orte mit einer Tankstelle und einer Bar passieren – zumindest alle 50 Meilen gibt es doch noch Menschen. In Socorro angekommen fallen wir ins Bett und starren ins Fernsehen: Die Kaltfront hat sich mit Schneefällen über Colorado und Nord-New Mexico festgesetzt – Denver hat schon 40cm Schnee, war der ganze Umweg umsonst?