Richard hat uns heute ein Frühstück im 5&Diner vorgeschlagen, es befindet sich auf dem Gelände der Mills Mall 5025 S. Arizona Mills Circle in Tempe. Es ist einerseits schwer zu fassen, dass die Amerikaner es bei 30°C und strahlend blauem Himmel bevorzugen sich von der Klimaanlage im Inneren des Diners runterkühlen zu lassen, obwohl es eine süße schattige Terrasse gibt. Auf der anderen Seite ist der Innenraum des Diners wirklich so originalgetreu auf 50er Jahre gestylt, dass es in der Tat zum Verweilen einlädt. Begleitet von der passenden Musik stärkt man sich mit (ausnahmsweise) gutem Kaffee und klassischen amerikanischen Gerichten wie French Toast, Spiegeleier, Ham, Toast, Kartoffelpuffer und Würstchen. Da man von der Terrasse auf die Mills Mall schauen kann, haben wir beschlossen uns heute total dem Konsum hinzugeben und shoppen zu gehen.
Zum Besuch der Mills Mall sollte man eine Menge Zeit mitbringen, mir ist kein so weitläufiges deutsches Einkaufszentrum bekannt – selbst das Nova Eventis in Leipzig steht hier weit zurück. Es war auch das erste Mal in meinem Leben, dass ich in einem wahren Schuh-Kaufrausch verfallen bin – mit Schuhgrösse 48 steht man in Deutschland auf verlorenem Posten, in den USA hingegen ist selbst ein Kunde mit grossen Füssen König und so bin ich mit gleich drei neuen Paar Schuhen ins Hotel zurückgekehrt. Da wir nur ca 60% der Mall wirklich gesehen haben, werden wir wohl morgen oder übermorgen nochmal ein bischen die Kreditkarte strapazieren.
Dank den ohrenbetäubenden Hörnern der Amtrak-Züge hat es uns um 6am aus dem Bett gehauen, draussen ist es bitterkalt, auf den Autos vor dem Hotel hat sich Eis gebildet – aber der Himmel in Flagstaff ist strahlend blau und die Sonne scheint, für Phoenix sind heute 33°C angesagt und so kochen wir uns auf unserem großzügigen Zimmer erstmal einen Kaffee und warten ab, bis Richard Lust auf Frühstück hat – schnell zwei Donuts und einen Kaffee reingezerrt und ausgecheckt, schon sitzen wir wieder im Truck und bekommen auf der Suche nach einem Postamt doch eine ganze Menge von Flagstaff zu sehen. Es ist ein kleiner (60.000 Einwohner) wunderschöner Bergort auf 2100m Höhe, mitten in Nadelwäldern gelegen, die sich malerisch durch die Stadt ziehen. Im Sommer lässt es sich hier sicher wundervoll leben, im Winter so hören wir gibt es hier für unseren Geschmack etwas zu viel Schnee *brrr* Unsere heutige Route beträgt zwar nur rund 150 Meilen, die werden es aber aufgrund der klimatischen Unterschiede zwischen Flagstaff und Phoenix sicher in sich haben. In dem Wissen, dass wir auf dem Rückweg das schöne Flagstaff wiedersehen werden, machen wir uns auf der Interstate 17 in südlicher Richtung auf den Weg, down to the Valley of the Sun, wie man die Gegend um Phoenix auch nennt. Die Freeway führt eine ganze Weile durch den Sitegreaves National Forest, tolle Nadelwälder, die zum Wandern einladen.
Der Freeway führt plötzlich eine kleine Kuppe hinauf, rechts steht ein Schild “Scenic View” und wir bitten Richard, doch an diesem Aussichtspunkt einmal anzuhalten, der Truck rollt auf die Schotterpiste abseits der Strasse und vor uns tut sich ein Tal auf, dass einem ohne Übertreibung den Atem stocken lässt. Wir schnappen unsere Kameras, steigen aus dem klimatisierten Auto und bekommen erstmal leichte Kreislaufprobleme, denn die kühle Morgenluft von Flagstaff ist einer aufkommenden Hitze gewichen, die ahnen lässt, wohin wir fahren.
Ab diesem Punkt führt der Freeway über Meilen und Meilen mit einem Gefälle von 6% bergab und mit jedem Meter, dem wir dem Meeresspiegel näher kommen, ändert sich draußen die Vegetation. Sieht man zunächst nur vereinzeilt kleine Kakteen an den felsigen Hängen stehen, so sind die Hänge kurze Zeit später schon übersät mit dem meterhohen Organ Pipe Cactus – ein klarer Indikator, dass wir wieder in der Wüste sind. Und kaum, dass wir in der ebenenen Wüste sind, baut sich der Freeway zu einem achtspurigen Asphaltband auf – es ist nicht zu übersehen, dass wir uns der fünftgrößten Stadt der Vereinigten Staaten nähern. Das Valley of the Sun stellt einen der 13 größten und gleichzeitig am schnellsten wachsenden städtischen US-amerikanischen Großräume dar und entsprechend gross ist die Entfernung bis zum Mittelpunkt dieses Ballungsraums. Die Kakteen sind ab hier den von Menschenhand gepflanzten Palmen gewichen. Wir haben nur wenig Mühe unser Hotel in Tempe zu finden – Tempe ist zwar eine eigene Stadt im Maricopa County, aber die Grenzen zwischen Phoenix und den angrenzenden Städten wie Scottsdale, Glendale, Tempe und Chandler sind fliessend. Verkehr, wo man nur hinschaut, mehrspurige Freeways kreuzen sich, führen übereinander, Flugzeuge kreuzen in geringer Höhe – so muss Megapolis aussehen.
Es ist Freitag nachmittag, wir haben nach 850 Meilen unser Etappenziel erreicht und unseren Termin eingehalten. Ab jetzt ist Business angesagt – wir treffen gemeinsam mit Richard zuerst Geschäftspartner in Scottsdale, danach steht noch ein Meeting der besonderen Art an… wir werden bis Dienstag in Tempe bleiben und ganz sicher reicht diese Zeit noch nicht einmal aus, um sich auch nur einen groben Überblick zu verschaffen – leider. Das Klima entspricht jedenfalls unseren Vorstellungen – es ist immerhin Ende Oktober und für die kommenden sieben Tage sind Sonnenschein bei jeweils über 30°C angesagt…. sonnige Grüße nach Deutschland an dieser Stelle *fg
Früh sollte es heute losgehen, schliesslich wollen wir auf dieser Route unserem Ziel Phoenix so weit wir möglich näher kommen, und so sind wir um 5:30 am aufgestanden. Der Wettergott scheint uns gnädig zu sein, es hat aufgehört zu schneien auch wenn es in den Morgenstunden noch empfindlich kalt ist. Damit wir schnell auf den Freeway kommen, haben wir auf das Frühstück verzichtet und den Truck beladen – bei Richards Filmausrüstung kann das eine Weile dauern. Als Frühstück nehmen wir schnell einen Grande Latte bei Starbucks im Safeway, dazu ein Stück wirklich guten Zitronenkuchen und schon sind wir auf der Interstate 25 Richtung Süden unterwegs. Doch je weiter südlich wir kommen, vorbei an Orten wie Pueblo und Trinidad, desto weißer wird die Prärie… es hat hier draußen massig geschneit und der Schnee ist liegengeblieben, ca. 10cm bedecken die weiten Flächen und so wird es bis zur Grenze von New Mexiko auch bleiben. Wie gut, dass wir Schneeketten und eine Schaufel mit auf dem Truck haben, denn die Staatsgrenze zwischen Colorado und New Mexiko liegt mitten auf einem Pass in 7800 Fuss (2377 Meter) Höhe und wir erwarten dort das Schlimmste. Zum Glück aber bleibt uns das Schlimmste erspart, ganz im Gegenteil – kaum haben wir den Paß hinter uns gelassen liegt auch kein Schnee mehr. Mit der Staatsgrenze hat sich für uns auch die Optik komplett gewandelt, das Weiß ist einem kräftigen Gelb gewichen und die optische Außentemperatur steigt gleich mal um zwanzig Grad – obwohl es noch immer eisig kalt ist.
Es tun sich endlos weite Flächen auf, links und rechts der Strasse ist nur Prärie die am Horizont von Bergen gesäumt ist. Ein Koyote sprintet vor unserem Truck über die Strasse, vereinzelt grasen Rinder in der Steppe. Wir halten auf einem der spärlich gesäten Rest Areas (Rastplätze) und bestaunen wieder einmal die Sauberkeit öffentlicher Einrichtungen in den USA. Die Toiletten deutscher Autobahnparkplätze kann man ja wirklich nur in der allergrößten Not aufsuchen, hier in den USA ist es ein Vergnügen, sich in die sauberen Örtchen zu begeben.
Wir passieren Las Vegas, aber nicht DAS Las Vegas sondern einen winzigen Ort gleich Namens in New Mexico, nehmen dann unser Mittagessen in Form von Fastfood in Santa Fe ein, dessen Name spektakulärer klingt als die Stadt wirklich ist, und nähern uns der Hauptstadt des Bundesstaates New Mexico, Albuquerque, wo wir prompt erleben, wie belebt es am frühen Nachmittags auf einem amerikanischen Freeway mit immerhin 4 Spuren in jede Richtung zugehen kann. Es wird Zeit auf die Interstate 40 in Richtung Westen zu zu wechseln, ab hier ist man teilweise annähernd auf dem Streckenverlauf der legendären Route 66 unterwegs und es kommt doch so ein gewisses Easy-Rider-Gefühl auf. Mittlerweile haben wir auch die Annehmlichkeiten US-amerikanischer Autos schätzen gelernt – Dosenhalter sind eine grandiose Erfindung wenn man stundenlang mitten im Nirgendwo unterwegs ist.
Mittlerweile ist später Nachmittag und wir fahren schon eine gute Stunde an beeindruckenden roten Klippen entlang, Steilwände die aussehen als hätten sie Menschen als Steinbrüche gedient – dem ist aber nicht so, vielmehr hat die Natur hier wahre Wunder vollbracht.
Die Sonne steht tief am Horizont als wir die Staatsgrenze nach Arizona erreichen, ein Schild mit der Aufschrift “The Grand Canyon State welcomes you” lässt das Herz höher schlagen. Wieder ändert sich die Szenerie schlagartig, vor uns liegen riesige endlose Weiten. Wie endlos sie sind fällt mir auf, als ich feststelle, dass ich seit einer guten halben Stunde in der Ferne Windräder sehen kann, die nicht näher zu kommen scheinen, obwohl wir mit 75mph auf sie zuhalten. Die Sonne geht langsam unter und taucht den Himmel mit seinen Wolken in dieses unbeschreibliche Farbenspiel aus allen erdenklichen Rot-Tönen. “Voll das Klischee” denke ich mir wieder einmal, muss aber sofort zugeben, dass diesem Klischee eine atemberaubende und beeindruckende Schönheit innewohnt.
Da es nun mittlerweile dunkel ist, können wir nur ahnen dass die Landschaft sich von Wüste hin zu Pinienwäldern ändert, während wir den Anstieg nach Flagstaff bewältigen. Es ist 7:50pm als wir dort ankommen und das nächstbeste Hotel ansteuern – wir waren nun 13 Stunden unterwegs und haben 700 Meilen zurückgelegt, da stört es nur marginal, dass direkt vor unserem Hotel eine Amtrak-Bahnlinie entlangführt, deren Züge mit markerschütterndem Horngebrüll ihr Kommen ankündigen. Wir gehen noch einige Meter auf der Route 66 spazieren um zum Restaurant Sizzler zu kommen, schnell ein gutes Steak eingeworfen und dann liegen wir auch schon totmüde in den Betten.
Leider ist unser Zeitplan wegen Terminen in Phoenix so knapp bemessen, dass wir auf dieser Etappe nur wenig Gelegenheit hatten, unter der Oberfläche zu kratzen – auf der anderen Seite gibt es auf dem ganzen Weg endlos viel Nichts, schliesslich sind Santa Fe und Albuquerque die einzigsten grösseren Städte, die auf 1120km zu finden. Solche Touren sind für Amerikaner nichts besonderes, als Europäer sollte man schon wirklich ein Ironbutt sein um sich das zu geben…. jetzt gönnen wir unseren Hintern ein wenig Entspannung und sind schon tierisch auf das erste richtige amerikanische Frühstück in einem Hotel gespannt….
Heute war es an der Zeit, sich zu aklimatisieren und zurechtzurückeln, wie man so schön sagt. Unser Freund Richard wohnt in einer typischen Neighbourhood von Colorado Springs und hat dort ein kleines, dafür aber aus Stein gebautes Haus mit Flachdach, einen niedlich gemachten Garten und einem echten Indianer-Tippi darin – bis zur Wirtschaftskrise hat er Tipis gebaut, verkauft und sogar für Hollywood-Filme als Kulisse zur Verfügung gestellt. Im Inneren seines Tipis fühlt man sofort den Indian Spirit und bekommt beinahe eine Gänsehaut, so intensiv bekommt man die Naturverbundenheit der Indianer vor Augen geführt. Weniger naturverbunden sind die modernen amerikanischen Errungenschaften und so hat auch Richards im Backyard neben der Veranda eine Hot Tub stehen – ein grosser privater Whirlpool, der permanent auf über 30°C geheizt ist und in die er dreimal täglich steigt.
Da wir auf die Mitnahme von Toilettenartikeln verzichtet haben, mussten wir nach einem guten Frühstück aus Bratkartoffeln mit Würstchen ein paar Dinge einkaufen – eine gute Gelegenheit, etwas mehr von Colorado Springs zu sehen und auch gleich mal einen amerikanischen Drugstore und einen Supermarkt aufzusuchen. Also ab in den riesigen Truck und ein paar Querstrassen gefahren – die Weitläufigkeit der Areale und die Entfernungen in den USA ist wirklich beeindruckend und es ist kein Wunder, dass hier niemand auf die Idee kommt, zu Fuß zu laufen – es ist einfach alles nur weit entfernt. Dafür gibt es um jeden noch so kleinen Laden massig Parkplätze. Das Wetter heute ist wirklich eklig, es ist kalt und der Wind, der vermischt mit Schneeflocken wirklich böse bläst, lässt einen doch ganz schön frösteln. Es wird Zeit, dass wir nach Arizona aufbrechen, dort sind 30°C und Sonnenschein angesagt. Also schnell das nötigste gekauft und nix wie ab ins Bett – morgen geht es früh raus.